Montag, 22. Juni 2020

Trumps wegweisender aber durchwachsener Wahlkampfauftakt in Oklahoma

In der vergangenen Nacht hatte der US-Präsident seine erste große Wahlkampfveranstaltung nach der Corona-Unterbrechung. Donald Trump ließ sich dabei in Tulsa, Oklahoma, von seinen Fans feiern. Der Republikaner will sich zusammen mit seinem Vizepräsidenten Mike Pence am 03.November wiederwählen lassen. Eigentlich bietet sich für einen solch viel beachteten Auftritt ein für die Wahl entscheidender Bundesstaat an. Dass Trump aber nicht etwa Florida, Ohio, Pennsylvania oder Michigan auswählte, lag wohl auch daran, dass der Präsident auf Nummer sicher gehen und in jedem Fall ihm treue Massen hinten sich wissen wollte. Nach Wochen und Monaten der Kritik sowie sinkender Umfragewerte sollte der Wahlkampfauftakt ein lockeres Heimspiel werden. Oklahoma ist für Trump dabei eine sichere Bank.

Entsprechend euphorisch verkündete sein Wahlkampfteam vorab die Zahlen des Interesses. Über 1 Mio Tickets hätte man verkaufen können. Konkret erwartete man etwa 100.000 Fans. Die 19.000 Zuschauer fassende Arena, das BOK-Center, wäre zu klein gewesen. Deswegen errichtete man außerhalb unter freiem Himmel eine Art Public Viewing mit Bühne und Leinwand. Hier sollte Trump vorab schon einige Worte an seiner Anhängerschaft richten. Es kam aber anders. Draußen wartete fast niemand, der Vorab-Auftritt musste abgesagt werden. Die wenigen die vor der Bühne standen, wurden gebeten in die Veranstaltungshalle zu kommen. Denn dort waren noch so viele Plätze frei, dass ganz offensichtlich klar wurde, die Halle könne nicht mal mehr annähernd vollständig gefüllt werden. Ohne Frage, es waren viele Fans da, gewiss über 10.000, angereist auch aus anderen Bundesstaaten, aber verglichen zu den hohen Erwartungen war die Resonanz ein Flopp.


Angst vor Infektionen, Proteste am Veranstaltungsort oder doch ein Social-Media-Coup?


Noch während der Veranstaltung waren für Trump die Schuldigen gefunden. Die Medien, allen voran, der von ihm verhasste Sender CNN, hätte so lange vor einer Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus gewarnt, dass viele tatsächlich verunsichert zuhause geblieben seien. Andere wiederum hätten sich wohl auch vor dem radikalen Mob in der Stadt gefürchtet und seien nicht zum Veranstaltungsort durchgedrungen. Tatsächlich war es so, dass CNN aber auch andere Medien den Schritt des Präsidenten scharf kritisiert hatten, angesichts steigender Infektionszahlen zu solchen Massenveranstaltungen einzuladen. Dagegen konnte ein gewalttätiger Mob in Tulsa nicht ausgemacht werden.

Ob nun Unsicherheit oder einfach Desinteresse der Grund waren, blieb zunächst im Unklaren. Die New York Times jedoch berichtete im Laufe des Sonntags, dass ein Coup von Trump-Gegnern zumindest einen gewissen Anteil an der schwachen Besucherzahl haben könnte. So sollen zahlreiche TikTok-User sich für Karten registriert haben, in der Absicht, gar nicht an der Veranstaltung teilzunehmen. Auf diesen Zug sollen auch noch weitere Anhänger der K-Pop-Szene aufgesprungen sein. So könnten letztlich viele Karten an Trump-Gegner gegangen sein, die ein Interesse daran hatten, den Präsidenten mit einer spärlich gefüllten Halle bloßzustellen.

Ein Auftritt für die eigene Basis


Abgesehen von der enttäuschenden Teilnehmerzahl waren die Anhänger mit Trumps Auftritt aber zufrieden. Zumindest wenn man die Reaktionen während seiner Rede als Maßstab nimmt. Zwar kam noch nicht der Enthusiasmus aus dem Jahr 2016 auf, aber die Besucher hatte der Präsident zweifelsohne auf seiner Seite.
Wie man es auf Veranstaltungen von Republikanern und Demokraten gewohnt ist, waren die Bilder für das Fernsehen gut inszeniert. Während Trump in die Halle kam und bis er am Rednerpult angekommen war, konnte man bei patriotischer musikalischer Untermalung Schilder mit den Aufschriften "Cops for Trump", "Women for Trump", "Make America Great Again" und "Black Voices for Trump" lesen. Die wenigen Schwarzen in der Halle waren dann auch so platziert, dass man sie direkt hinter Trump im Fernsehen gut sehen konnte. Es mag Zufall gewesen sein, zumindest aber einer, der auffiel.


Trumps Rede in Tulsa, Oklahoma




Wer vor dem Auftritt unsicher war, wie Donald Trump in diesen Wahlkampf agieren wird, konnte nach der Veranstaltung mit hinreichender Gewissheit nach Hause gehen oder das Fernsehprogramm wechseln.
Es war kein Auftritt, der enttäuschte Demokraten oder Unabhängige erreichen sollte. Trumps Rede richtete sich offenbar ausschließlich an die eigene Basis. Gewohnt polarisierend, nicht selten populistisch, sprach der Präsident zu seiner Anhängerschaft. Mitunter hatte es gar unterhaltsame Züge. So nutzte er alleine eine Viertelstunde, um zu erklären und zu demonstrieren, weshalb er bei seine West Point-Rede einige Schwierigkeiten hatte, ein Glas Wasser zu trinken. Bei der Rede vor etwa einer Woche war der Präsident zu sehen, wie er zitternd versuchte mit zwei Händen ein Glas Wasser zu trinken und anschließend recht wackelig über eine Rampe die Bühne verließ. Einige Medien fragten, ob dies gesundheitliche Gründe haben könnte. In Tulsa erklärte Trump dann aber, seine Anhängerschaft durchaus erheiternd, dass er zuvor 600 mal salutieren musste und zudem glatte Ledersohlen trug. Bei sengender Hitze könnten dann einem schon mal die Kräfte ausgehen und bevor er den "Fake-News"-Medien das Bild eines stürzenden Präsidenten lieferte, wollte er lieber vorsichtig die Bühne verlassen.

Ich will weder über die Bilder von der West Point Rede spekulieren, noch mich mit Trumps Erklärung lange auseinandersetzen. Der Punkt ist, dass es Trump gelang, seine Basis in dieser Frage zu beruhigen und sie gegen die von ihm identifizierten "Fake-News"-Medien aufzubringen. Dabei nutzte er eine gewisse Lockerheit und warf abschließend sein Glas Wasser auf den Boden, nachdem er erfolgreich, ohne zu zittern, daraus getrunken hatte. So, als wollte er sagen, wie lächerlich die ganze Geschichte und wie unfair die Berichterstattung über ihn sei.

Der entsprechende Ausschnitt aus der Rede des US-Präsidenten




Corona: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß


Bei einem anderem Thema verschwammen aber humorvolle Lockerheit mit dem Ernst der Lage. Als der US-Präsident auf das Coronavirus zu sprechen kam, nutzte er nicht nur verharmlosende sprachliche Relativierungen. Dass die USA so hohe Fallzahlen bei den Infektionen mit Covid-19 hätten, läge daran, dass sein Land ein Vielfaches mehr teste, als andere Länder wie Deutschland oder Südkorea. Deshalb fordere er, viel weniger zu testen. Je mehr Tests man mache, desto mehr Fälle würden auch bekannt. Seine Forderung nach weniger Tests ordnete das Weiße Haus später als Scherz des Präsidenten ein.
Ganz gleich, ob man dieser Einordnung folgt, ist das Signal zu beachten, dass Trump aussenden wollte. Entweder er meinte es ernst und stellt damit das äußere  Erscheinungsbild seines Landes über das Interesse an einer Bekämpfung der Pandemie. Oder aber seine Äußerung war tatsächlich als Scherz gemeint, was wiederum die Frage aufwirft, inwieweit Trump Willens oder in der Lage ist, die Nation für das Thema zu sensibilisieren.
Trump stellte aber auch fest, dass er schon sehr früh die Grenzen geschlossen habe, um mit dem Virus infizierte Menschen nicht ins Land zu lassen. Zudem forderte der Präsident die Wiedereröffnung der Schulen.

Deutschland soll für die Verteidigung zahlen


Ein weiteres Thema war die Zahlungsmoral Deutschlands. Die Forderung Trumps ist bekannt. Deutschland soll sich im Rahmen der NATO an die zugesicherten nationalen Ausgaben für die Verteidigung halten. Deutschland bleibt seit Jahren unter den vereinbarten Werten. Der US-Präsident stellte nun nochmal klar, dass "Angela" zwar eine gute Verhandlerin sei, Deutschland aber in den letzten Jahren durch die Nichteinhaltung der Vereinbarung Schulden in Höhe von 1 Billionen US-Dollar bei der NATO angehäuft hätte. Trump sehe deshalb nicht ein, weshalb die USA dann weiter für die Verteidigung Deutschlands aufkommen sollten. Es könne nach Ansicht des US-Präsidenten nicht sein, dass sich die Bundesrepublik durch die USA vor Russland beschützen lasse, die finanziellen Vereinbarungen nicht einhalte und zugleich ein Deal mit Russland wegen der Gas-Pipeline eingehe.

Diverse verbale Attacken gegen Joe Biden


Donald Trump hatte aber noch einige Angriffe gegen seinen Herausforderer der Demokraten parat. So habe Joe Biden überhaupt keine Kontrolle über die Demokraten. Der frühere Vizepräsident Obamas sei nur eine hilflose Puppe der radikalen Linken.
Angesicht der Proteste in vielen Bundesstaaten und Städten der USA würde unter einem Präsidenten Biden der linksradikale Mob die Kontrolle gewinnen, warnte Trump. Der Demokrat sei viel zu schwach und habe in der Vergangenheit bereits bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung versagt und die sog. Sanctuary Cities unterstützt.
Biden habe zudem nahezu jede außenpolitische Entscheidung falsch getroffen und würde die den USA schadenden Handelsabkommen unterstützen.
Die Rede Trumps war ein Vorgeschmack auf das, womit sich Joe Biden sehr sicher spätestens bei den TV-Duellen mit dem Amtsinhaber auseinandersetzen muss.


Keine versöhnenden Worte an die Demonstranten


Donald Trump versuchte erst gar nicht, differenzierende Worte zu finden. Die vielen friedlichen Demonstranten warf er in einen Topf mit den gewalttätigen Randalierern, die an verschiedenen Orten des Landes im Rahmen bzw. parallel zu den Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt in Erscheinung traten. Trump weiß, dass die friedlichen Demonstranten zu einem Großteil ohnehin nicht zu seinen Wählerinnen und Wählern gehören. Also versuchte er jene anzusprechen, denen die Proteste entweder zu weit gingen, sie grundsätzlich ablehnen oder auch Angst vor Gewaltausbrüchen haben. Damit agierte er erneut eher als Wahlkämpfer in eigener Sache und weniger als Präsident aller Bürgerinnen und Bürger. Diese Spaltung wird schon länger insbesondere von den Demokraten kritisiert.

Am Ende, so Trump, komme es bei der Wahl 2020 auf die Frage an, ob man sich dem linken Mob beugen oder aufrecht als stolzer Amerikaner stehen werde.

Die Richtung, die Trump also in Oklahoma einschlug, hätte kaum deutlicher sein können. Trump scheint erneut darauf zu setzen, dass er wie schon 2016 von seiner treuen Basis unterstützt wird. Gleichzeitig will er erreichen, dass die Demokraten nicht geschlossen hinter Joe Biden stehen. Zudem sollen Unabhängige eher demobilisiert und von der Wahlurne ferngehalten werden, als dass der Präsident sie selbst für sich gewinnen will.
Ob diese Rechnung aufgeht, darf aber bezweifelt werden. Joe Biden polarisiert bei Weitem nicht so stark, wie es Hillary Clinton 2016 mehr oder weniger bewusst getan hat.

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