Donnerstag, 15. Oktober 2020

Großes Interesse am Early Voting lässt Demokraten hoffen – lange Briefwahl-Auszählungen im Rust Belt – Trump und Biden im Fernduell

In vielen Bundesstaaten hat das Early Voting bereits begonnen. Wählerinnen und Wähler können nicht nur per Brief abstimmen, sondern auch persönlich in den Wahlstellen erscheinen und ihre Stimme frühzeitig abgeben. Offenbar ist das Interesse, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, so groß wie noch nie. In Georgia warteten die Stimmberechtigten am ersten Tag des Early Votings in langen Schlangen bis zu 11 Stunden. Am zweiten Tag hatte sich die Situation wieder entspannt, auch weil technische Schwierigkeiten behoben werden konnten.

Insgesamt haben landesweit bereits rund 16 Mio US-Amerikaner ihre Stimme abgegeben.

Mit Bewertungen muss aber vorsichtig umgegangen werden. Dass die Gesamtwahlbeteiligung besonders hoch sein wird, kann nicht zwingend mit dem großen Interesse am Early Voting begründet werden. So ist anzunehmen, dass am eigentlichen Wahltermin deutlich weniger Menschen in die Wahllokale gehen als üblich.

Jedenfalls zeigt das große Interesse am Early Voting aber insbesondere, dass es eine gewisse Begeisterung gibt, für oder gegen einen der Kandidaten zu stimmen.


Demokraten mit größerem Interesse am Early Voting

Eine Umfrage von ABC hat zudem ergeben, dass rund 64 % der vermutlichen Biden-Wähler ein Early Voting bevorzugen, während 61% der vermutlichen Trump-Wähler eher am Wahltag, 03.11.20, ihre Stimme abgeben wollen.

Dieses Bild wird auch durch eine Analyse der Washington Post bestätigt, nach der etwa zwei Drittel der Early Voters registrierte Demokraten sind und ein Drittel registrierte Republikaner. Ausgewertet wurden rund 3,5 Mio Stimmen in den Bundesstaaten Florida, Pennsylvania, North Carolina, Iowa, Maine und Kentucky.

Auch der Economist hat in einer landesweiten Umfrage ermittelt, dass 68% der Early Voters für Biden und 29% für Trump gestimmt hätten.

Unabhängig davon, wie diese Zahlen und Entwicklungen nun zu bewerten sind, könnte die hohe Teilnahme am Early Voting aber auch dazu führen, dass doch weniger Briefwahlstimmen als zunächst angenommen, abgegeben werden, wenngleich die Gesamtzahl einen neuen Rekord darstellen wird. Dies könnte dazu führen, dass in der Wahlnacht und am folgenden Tag doch schon mit verlässlichen Ergebnissen gerechnet werden kann.


Lange Auszählungen bei Briefwahl im Rust Belt zu erwarten

Wie viele Wählerinnen und Wähler sich letztlich entscheiden, doch per Brief abzustimmen, bleibt abzuwarten. Fest steht aber, dass es schon jetzt so viele sind, wie nie zuvor. Dies wirft wieder die Frage auf, inwieweit sich die Briefwahlstimmen auf das Auszählungstempo auswirken und letztlich wie lange auf verlässliche Ergebnisse gewartet werden muss.

Vorab muss aber nochmal die Problematik genauer bezeichnet werden. Wer auch hier im deutschsprachigen Raum schon einmal beim Auszählen von Wahlstimmen geholfen hat, wird die Erfahrung gemacht haben, dass das Auszählen von Briefwahlstimmen deutlich länger dauert, als das "normaler" Stimmzettel. Dies hat aber nichts mit den Stimmzetteln zu tun, vielmehr geht es um die Vorbereitung der Auszählung. Es muss also bei den Briefwahlstimmen zwischen der Vorbereitung und der eigentlichen Auszählung differenziert werden.

Zunächst müssen Briefe geöffnet und kontrolliert werden. Dabei geht es beispielsweise darum, Unterschriften oder andere Formalitäten zu prüfen, die für die Gültigkeit der Briefwahlstimme erforderlich sind. Mancherorts werden Wählerinnen und Wähler sogar noch kontaktiert, wenn etwas nicht stimmt, um ihnen die Möglichkeit zu geben, Versäumnisse zu korrigieren. Wenn dann alle Prüfungen abgeschlossen sind, wird der eigentliche Brief mit dem Stimmzettel geöffnet und der Stimmzettel zur Zählung aufgefaltet. Die Zählung kann dann elektronisch oder händisch erfolgen. Eine Prüfung einer Briefwahlstimme kann also schon mal eine Minute dauern. Deutlich länger jedenfalls als das reine Zählen eines in die Wahlurne geworfenen Stimmzettels.

Umso sinnvoller wäre es also, dass die Briefwahlstimmen nicht erst am Wahltag, evtl. auch noch nach Schließung der Wahllokale geprüft werden, sondern schon dann, wenn sie bei den verantwortlichen Stellen eingehen. Zudem stellt sich dann auch die Frage, wann denn die eigentliche Auszählung stattfinden kann. Und noch ein Punkt muss berücksichtigt werden, in einigen Bundesstaaten, werden Briefwahlstimmen, die die Wahlstellen auch noch viele Tage nach der Wahl erreichen, ebenfalls zugelassen, sofern der Versandstempel kein Datum zeigt, das nach dem 03.11.2020 liegt.

Wie so häufig in diesen Fragen, muss nach den unterschiedlichen Bundesstaaten differenziert werden. Um sich einen möglichst kompakten Überblick zu verschaffen, sind zunächst die Bundesstaaten auszublenden, in den mit sicheren Siegen für Trump oder Biden gerechnet wird. Die Frage ist schließlich nur dort relevant, wo mit einem relativ knappen Wahlausgang zu rechnen ist. Konzentrieren wir uns also auf die Battleground States.


In Pennsylvania, Wisconsin und Michigan dürfte es am längsten dauern

In Pennsylvania und Wisconsin beginnt der Vorbereitungsprozess und damit natürlich auch die Zählung der Stimmen erst am Wahltag. In Michigan, dürfen die Vorbereitungen zur Auszählung bereits am Vortag beginnen, was aber nur einen kleinen und letztlich unerheblichen Zeitgewinn bedeutet. In Michigan werden zudem Briefwahlstimmen auch noch berücksichtigt, wenn sie bis zum 17.11. eingegangen sind, also zwei Wochen nach der Wahl. Dies dürfte allerdings nur in wenigen Fällen zutreffen und nur dann relevant werden, wenn der Ausgang der Wahl von außergewöhnlich wenigen Stimmen abhängig ist. In Pennsylvania werden Briefe noch bis zum 06.11. berücksichtigt.

In Iowa und New Hampshire startet der Vorbereitungsprozess drei bis fünf Tage vor dem Wahltag, in Iowa darf bereits einen Tag vor der Wahl auch mit der Auszählung begonnen werden.

In allen anderen Bundesstaaten sind deutlich großzügigere Fristen gesetzt oder aber Briefwahlstimmen dürfen sofort nach Eingang weiter bearbeitet werden, ausgenommen der tatsächlichen Zählung. Dies gilt z. B. für Florida, Minnesota, Georgia, Nevada, Arizona, North Carolina und Ohio.

In Nevada und Arizona dürfen die Briefwahlstimmen zudem bereits am 19.10. bzw. 20.10. nicht nur geprüft und vorbereitet sondern auch schon ausgezählt werden.

Was bedeutet das für die Wahlnacht? Es ist damit zu rechnen, dass in einigen wichtigen Bundesstaaten wie Florida, Arizona, North Carolina oder auch Ohio deutlich schneller mit vollständigen Ergebnissen zu rechnen ist, als es in Pennsylvania, Wisconsin oder Michigan der Fall ist. Sollte es also auf diese drei Bundesstaaten des Rust Belts ankommen, was im Falle von Trump-Erfolgen in Texas, Florida und Ohio der Fall wäre, dürfte es mit einer Entscheidung in der Wahlnacht eng werden. Es sei denn die Ergebnisse in Pennsylvania, Michigan und Wisconsin sind so deutlich pro Biden, dass die Wahlausgänge in diesen Bundesstaaten durch Briefwahlstimmen nicht oder kaum noch verändert werden können.


Trump und Biden im Fernduell – Kritik an NBC wegen zeitgleicher Ansetzung

Eigentlich sollte in der kommenden Nacht das 2. TV-Duell der beiden Spitzenkandidaten stattfinden. Dieses wurde aber bekanntlich abgesagt. Donald Trump und Joe Biden treten nun getrennt voneinander aber zeitgleich jeweils im Town Hall Format auf. Trumps Auftritt in Miami, Florida, wird von NBC, CNBC und MSNBC übertragen. Biden wird in Philadelphia, Pennsylvania beim Sender ABC zu sehen sein.

Kritik am Sender NBC gab es deswegen, weil dieser das Town Hall mit Trump zeitlich so angesetzt hat, dass die Zuschauer zwischen Trump und Biden entscheiden müssen. Bidens Auftritt bei ABC war schon seit zwei Wochen terminiert.

Das letzte TV-Duell zwischen Trump und Biden folgt dann am 22.11.2020.

Für beide Kandidaten sind dies die letzten Gelegenheiten, live und persönlich landesweit Wählerinnen und Wähler zu erreichen. Danach folgen dann nach heutigem Stand "nur" noch persönliche Auftritte an einzelnen Orten und lokalen Sendern und natürlich zielgerichtete Wahlwerbung über Internet, TV und Radio. Sicherlich werden aber auch die Abschlusskundgebungen nochmal von großem Interesse sein.

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