Freitag, 23. August 2024

Demokraten gelingt Mobilisierung der eigenen Basis

Der Parteitag der Demokraten ist nach vier Tagen mit der Rede von Kamala Harris zu Ende gegangen. Zusammenfassend ist meiner Einschätzung nach festzustellen, dass die Demokraten die wesentlichen Ziele ihrer Convention erreicht haben. Es ging um Mobilisierung der eigenen Basis und der Steigerung der Popularität ihrer Spitzenkandidaten.

Demokraten wollen Freiheit und Patriotismus neu besetzen


Es war eine Stimmung des Aufbruchs und der Begeisterung wahrzunehmen. Die Grundlage für die anstehende heiße Phase des Wahlkampfs sollte so bereitet werden. In vielen Reden war die Aufforderung zu hören, aktiv zu werden, keinen Tag nachzulassen. Man sei optimistisch, aber noch sei nichts gewonnen. Auffällig war auch der Mix aus progressiven Inhalten und Themen, die sonst nicht explizit im Vordergrund stehen. Die Demokraten haben auf diese Weise versucht, den so schwierigen Rahmen zu bilden, der in einem praktischen Zwei-Parteien-System erforderlich ist. Von ganz links in der Partei, durch das gesamte eigene Spektrum hindurch, über die Unabhängigen bis hin zu den enttäuschten Republikanern musste ein Bild erzeugt werden, das alle hinreichend anspricht und niemanden total abschreckt. Insofern war es klug, dass wenig konkrete Inhalte verkündet wurden. Die Werte und Ziele wurden dafür umso intensiver zelebriert.
Interessant war in diesem Zusammenhang, dass die Demokraten die Überthemen Freiheit und Patriotismus bewusst besetzt haben, ihnen eine eigene definierende Ausgestaltung gaben, um diese Begriffe nicht den Republikanern zu überlassen. Es ging um individuelle Freiheiten und einen Patriotismus, der nicht von der Überhöhung der USA im Sinne von America First, sondern von Toleranz, Geschlossenheit und dem Gedanken, niemanden zurückzulassen.

Mobilisierung in höchstem Maße garantiert noch keinen Wahlerfolg


Der Zeitplan des Parteitags bestimmte auch die Dramaturgie. Am Montag wurde US-Präsident Joe Biden die Gelegenheit gegeben, sich auf seine Weise zu verabschieden und den Weg frei zu machen für Kamala Harris, die nun vor wenigen Minuten das Ende des Parteitags einläutete. Dazwischen gab es ein Schaulaufen prominenter Demokraten der Vergangenheit und der Gegenwart sowie Stars aus dem Showbusiness. Die Reden von Michelle und Barack Obama waren für die Demokraten ein Motivationshöhepunkt am Dienstag.
Die Mobilisierung ist der eigenen Parteibasis ist den Demokraten zweifelsfrei gelungen. Eine einzige Wählerstimme mehr ist dadurch allein aber noch nicht gewonnen. Die beste Stimmung löst noch kein Problem in der Bevölkerung. Aber jene Wählerinnen und Wähler, die abseits von politischen Themen eine positivere Stimmung im Land und der Politik haben wollen, werden sich in diesen Tagen von einer für den Augenblick geeinten Partei in Chicago angesprochen gefühlt haben. Denn an Freude und Lockerheit hat es den Demokraten in diesen Tagen nicht gemangelt. Die harte Arbeit steht ihnen nun aber noch bevor. Die Bereitschaft, jeden verbleibenden Tag zu werben, sich zu engagieren und konkrete Überzeugungsarbeit zu leisten, ist insbesondere unter jüngeren Parteianhängern gestiegen.

Tim Walz verkörpert unkonventionelle Bürgernähe


Für die inhaltliche Überzeugung mussten dann die beiden Spitzenkandidaten selbst ran, wobei insbesondere Tim Walz, die Aufgabe hatte, sich auf großer Bühne dem gesamten Land vorzustellen. Walz kommt natürlich nicht auf Bekanntheitswerte wie Biden oder Trump. Er zeigte am Mittwoch in einer relativ kurzen aber pointierten Rede, dass er der nahbare und bodenständige Vizepräsident sein will, für den ihn Harris auch ausgewählt hat. In der Sprache und in den Botschaften macht er einen Unterschied zu den sonst nicht selten etwas repetitiven, hölzernen oder eben auch intellektuellen Reden. Walz machte klar, wofür er steht und das waren verständliche Ansagen.

Er sei in einem kleinen Ort in Nebraska aufgewachsen und habe gelernt, dass es darauf ankomme, aufeinander Acht zu geben. Sein Verständnis von Freiheit sei auch, dass die Familie die Straße herunter, anders denken, leben, beten und lieben könnte, als man selbst, aber sie seien dennoch seine Nachbarn, und man kümmere sich umeinander ohne übereinander zu urteilen. Dieses Bild des einfachen, toleranten und verantwortungsbewussten Kümmerers zog sich durch die gesamte Rede. Mit den an seine vor ihm sitzende Familie gerichteten Worte "Hope, Gus and Gwen, Ihr seid mein ganzes Leben und ich liebe Euch" zeigte Walz seine persönliche Seite als Familienmensch.




Der Gouverneur von Minnesota hob politisch insbesondere seine Fähigkeit hervor, überparteiliche Kompromisse zu erzielen, ohne Kompromisse bei seinen Werten einzugehen. Und er lobte Kamala Harris, als Kämpferin für die Menschen, die es schaffen will, die Lebenserhaltungskosten zu senken, die Freiheit für Einzelne zu wahren und für die Sicherheit im Land zu sorgen.


Kamala Harris mit der wichtigsten Rede ihres Lebens 



Kamala Harris ist zwar ein wenig bekannter als ihr Running Mate, aber die breite Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung, die sich insbesondere nicht täglich mit dem Politikbetrieb befasst, kennen sie zumindest nicht so gut, dass sie sich ein umfassendes Bild von ihr bilden können. Vor dem Hintergrund, dass sie nach ihrer Nominierung seitens Trump und den Republikanern als Kommunistin und linksradikale Irre bezeichnet wurde, war es für Harris die Gelegenheit, sich selbst den Amerikanern vorzustellen, gut zehn Wochen, bevor sie Harris zu ihrer Präsidentin wählen sollen.
Harris wird noch einmal beim TV-Duell gegen Donald Trump eine solche Aufmerksamkeit erhalten, die Gelegenheit in einem ihr wohlgesonnen Umfeld eine Rede mit solcher Reichweite halten zu können, wird in diesem Wahlkampf aber nicht nochmal kommen. Entsprechend durfte sie diese Gelegenheit nicht verpatzen und tat dies auch nicht. Es war aus meiner Sicht zwar nicht die beste Rede des viertägigen Parteitags, aber das war auch nicht erforderlich. Harris war sicher und stark im Auftreten und hatte eine Bühnenpräsenz, die einen Kontrast zu Joe Biden und Donald Trump darstellt. Sie präsentierte sich als Kämpferin für das Volk und verknüpfte dieses Bildnis auch mit ihrer bisherigen beruflichen und politischen Laufbahn.




Kamala Harris warnte eindringlich vor einer zweiten Trump-Präsidentschaft. Er sei zwar kein seriöser Mensch, sollte er aber nochmal ins Weiße Haus gewählt werden, hätten die USA ein ernstes Problem. Sie stellte dabei auch nochmal eindringlich auf seine Rolle bei der Kapitolerstürmung ab und nahm auch Bezug auf das Project 2025.

In ihrer Rede nahm Kamala Harris auch noch Bezug auf den aktuellen Konflikt zwischen Israel und der Hamas. Dies soll deshalb erwähnt sein, weil die Demokraten auf ihrem Parteitag, den Kritikern aus den eigenen Reihen kein Bühne geben wollten. Harris machte unmissverständlich klar, dass sie Israel auch künftig dabei unterstützen werden, sich gegen Terrororganisationen zu verteidigen. Dennoch kritisierte sie das humanitäre Leid in Gaza und die vielen toten Zivilisten. Sie hob hervor, dass Präsident Biden und sie fortlaufend an dem Ziel einer Waffenruhe und die damit verbundene Freilassung der Geiseln arbeite. Entscheidend war aber der Zusatz, den die Demokratin ausdrücklich nannte. Das palästinensische Volk habe das Recht auf Würde, Sicherheit, Freiheit und Selbstbestimmung. Es war nur ein Halbsatz, an keiner anderen Stelle ihrer Rede, erhielt sie aber so viel Applaus. Zweifel, ob die Kritiker damit etwas besänftig sind, bestehen aber weiter. Eine stärkere Positionierung war für Harris aber in die eine oder andere Richtung nicht möglich.

Nachdem Harris vor Kurzem erst einige konkrete Vorhaben in Bezug auf ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen veröffentlichte, nahm sie in ihrer Rede das zweite für die Demokraten kritische Thema auf. Beim Thema Einwanderung und Grenzsicherung spielte sie den Ball der Kritik aber zu Donald Trump zurück. Sie unterstütze weiter den überparteilichen Gesetzesvorschlag, den Trump aus ihrer Sicht aus wahlkampftaktischen Gründen torpedierte und damit einer konkreten Verabschiedung im Kongress einen Riegeln vorschob.

Heiße Wahlkampfphase beginnt möglicherweise mit Coup für Trump


Republikaner und Demokraten haben ihre Parteitage nun abgehalten. Beide waren auf ihre Weise gelungen. Die Republikaner haben sich vollständig hinter Trump gestellt, die Demokraten den Wechsel von Biden zu Harris mit größtmöglicher Begeisterung vollzogen. Dass die Demokraten aber insgesamt einen Vorteil hatten, lag einfach daran, dass Trump in Milwaukee noch von einem anderen Gegner bei der Wahl ausging. Die Strategie der Republikaner wäre auf ihrem Parteitag wohl auch eine andere gewesen, wäre Kamala Harris damals schon als Hauptkonkurrentin bekannt gewesen.

Harris wird nun versuchen, die Welle der Euphorie am Leben zu halten. Emotional greifbar, verständlich in den Botschaften, bei einigen kritischen Themen aber doch schwammig im Inhalt. Das kann eine Weile tragen, bis zur Wahl steht für die Demokraten aber noch viel harte Wahlkampfarbeit bevor. Letztlich muss die Stimmung in konkrete Stimmen am Wahltag münden.

Donald Trump wird versuchen, möglichst schnell, die ersten Dämpfer zu platzieren. Bereits heute hofft er auf einen Coup in diesem Wahlkampf. Am Abend wird Robert F. Kennedy Jr. seine Kandidatur beenden. Viele Signale deuten daraufhin, dass er Trump unterstützen wird. Ob es tatsächlich dazu kommt, wird ab 20:00 Uhr bekannt werden. In einem so engen Rennen in den Battleground States kann dies den Republikanern einen kleinen aber doch relevanten Boost bringen.

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