Beide Kandidaten bedienten dabei vorwiegend ihre eigene Basis, neue Wählerschichten dürften sie dabei jedoch nicht erreicht haben. So ist davon auszugehen, dass es weder Clinton noch Sanders gelungen sein dürfte, die Anhänger des jeweils anderen Kandidaten auf die eigene Seite zu ziehen. Insofern könnte Hillary Clinton als Führende in den Vorwahlen diesen Abend für sich als Erfolg verbuchen. Aber die Auseinandersetzung dürfte dazu führen, dass es abermals eine sehr hohe Wahlbeteiligung beim Primary in New York am 19.April geben wird. Sanders hat das Optimum seiner Mobilisierungskraft herausgeholt, so dass sich die Anhängerschaft Clintons keine Zurückhaltung beim Wahlgang erlauben kann. Wie sich noch unentschlossene Wähler nach der TV-Debatte entscheiden werden, bleibt offen. Clinton konnte eher als erfahrene Realpolitikerin punkten, Sanders nahm erneut die Rolle eines Visionärs mit dem ambitionierten Ziel einer "politischen Revolution" ein.
Wall Street und Waffenlobby dienen erneut als Grundlage für die ersten Anschuldigungen
Hätte man die Debatte zu den Themen Wall Street und Waffenlobby im Radio verfolgt, würde man wohl nicht sofort sagen können, ob sie aus April 2016 stammt oder es doch eine Aufzeichnung aus 2015 war. Das Publikum klatschte auf beiden Seiten pflichtbewusst, aber regelmäßige Beobachter des Wahlkampfes dürften gelangweilt gewesen sein. Die gegenseitigen Vorwürfe waren nicht neu und die dazugehörigen Verteidigungen ebenfalls nicht.
Sanders beklagte, dass Clinton nicht in der Lage sei, den Kampf mit den zerstörerisch großen Investmentbanken und der Wall Street aufzunehmen, die einen zu großen Einfluss auf den politischen Betrieb und die Gesellschaft der USA habe, wenn sie zeitgleich hohe Redehonorare von eben jenen Banken erhalte. "Fühlen wir uns wirklich wohl damit, dass wir eine Kandidatin haben, die so sehr vom großen Geld abhängig ist?" fragte Sanders ins Publikum. Ein konkretes Beispiel, wonach Clinton eine politische Entscheidung aufgrund ihrer "Verbindungen" zur Wall Street anders traf als erwartet, blieb der Senator allerdings schuldig und verharrte auf pointierten allgemeinen Ausführungen. Dennoch, wer die Wall Street als ein Grundübel in der amerikanischen Politik ansieht, wurde am gestrigen Abend nochmal daran erinnert, am 19. April Bernie Sanders seine Stimme zu geben.
Gewohnt anders sah es bei der Diskussion um Waffengesetze aus. Hier war Hillary Clinton wieder mal im Angriffsmodus und hob ihren eigenen jahrelangen Kampf gegen die Waffenlobby NRA hervor. Sanders warf sie vor, mehrere Male im Senat im Interesse der NRA gestimmt zu haben und 1990 soll er sogar mit der NRA kooperiert haben, da diese einen Gegenkandidaten von Sanders unbedingt verhindern wollte. Clinton sagte, dass die USA ein Problem mit Waffen habe und eine Präsidentin gebraucht werde, die es uneingeschränkt mit der Waffenlobby aufnehmen könne.
Weitere innenpolitische Themen waren die Gesundheitsversorgung, die Justizreform, Umwelt- und Energiepolitik und der Mindestlohn. Hier wurden die bereits bekannten Positionen ausgetauscht. Beim Thema Mindestlohn überraschte Clinton zunächst mit der Äußerung, dass auch sie für einen Mindestlohn von 15 US-Dollar in der Stunde sei, eine Forderung, die bislang Bernie Sanders zugeschrieben wurde. Nachdem dieser energisch nachhakte, ruderte Clinton etwas zurück und präzisierte, dass sie flächendeckend einen Mindestlohn von 12 US-Dollar anstrebe, allerdings in den Bundesstaaten und Bereichen, wo es gewollt und möglich ist, auch die 15 US-Dollar befürworte. Sanders war zufrieden und stellte fest, dass es mit ihm nur die 15-Dollar-Variante geben werde.
Die Diskussion um den Mindestlohn kann man strukturell als sehr gutes Beispiel nehmen, wie sich die beiden Kandidaten unterscheiden, bzw. wie sie ihren Wahlkampf aufgebaut haben. Auf der einen Seite, die vorsichtige, an den machbaren Lösungen orientierte Clinton, auf der anderen Seite der "revolutionäre" und forsch auftretende Sanders, der immer noch ein klein wenig mehr will, als Clinton ankündigt. Dies dürfte zumindest bei Fragen nach Gesundheitsversorgung, Mindestlohn oder auch dem kostenfreien Zugang zu Universitäten zutreffend sein. Und Clinton hat sich im Laufe des Wahlkampfes angepasst. Wahlkampfstrategen raten in der Regel dazu, dass sich der führende Kandidat, den Positionen des Herausforderers annähern sollte, um diesen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dies ist an verschiedenen Stellen beim demokratischen Wahlkampf erkennbar gewesen. Anders bei den Republikanern, hier sind viele Kandidaten thematisch dem führenden Taktgeber Donald Trump hinterhergelaufen und der Reihe nach gescheitert (z. B. Christie, Rubio, Carson).
Sanders verschafft Palästinensern eine prominente Bühne
Außenpolitisch wurden die Themen Syrien, Libyen und Israel behandelt. Den evtl. bemerkenswertesten Auftritt des Abends hatte Bernie Sanders zum Thema Israel. Er, der selbst Jude ist, trat mutig und couragiert auf, als es um die Frage ging, wie Israel mit den Palästinensern umgehe. Sanders sprach zum New Yorker Publikum, wohl wissend, dass etwa 13% der New Yorker jüdischen Glaubens sind und sagte, dass Israel jedes Recht habe, sich gegen Terror zu verteidigen. Dabei habe Israel aber an mancher Stelle übertrieben reagiert. Wenn im Gazastreifen so viele palästinensische Zivilisten getötet und verletzt würden, kann dies nicht den Konflikt befrieden. Es sei eine Überreaktion gewesen. Premierminister Benjamin Netanjahu habe bei allem Verständnis nicht mit allem Recht. Die Palästinenser müssten mit Respekt und Würde behandelt werden. Die USA sollte eine führende Rolle zur Friedensbildung im Nahen Osten einnehmen.Hillary Clinton hörte genau zu, wohl wissend, dass sich unter der Obama-Administration das politische Verhältnis der USA zu Israel abgekühlt hat. Die frühere Außenministerin erinnerte daran, dass es eine äußerst schwierige Situation für Israel sei, wenn es aus der direkten Nachbarschaft, also dem Gazastreifen aus mit Raketen und Bomben in seiner Existenz bedroht werde. Es sei immer schwierig unter solchen Umständen ein Land zu führen. Clinton nannte die Zweistaatenlösung als Ziel und versetzte Sanders noch einen Seitenhieb. Es sei einfach ein Problem zu beschreiben, aber etwas anderes es auch zu lösen. Mit dieser Äußerung versuchte Clinton den Senator als einen in der Praxis unerfahrenen Außenpolitiker mit schönen Reden darzustellen. Sie selbst wisse um die Probleme und sei durch ihre Tätigkeit als frühere Außenministerin auch gut vorbereitet.
Präsident Obama hatte kürzlich seine Politik bei der Entwicklung in Libyen nach dem Sturz Gaddafis als seinen größten Fehler bezeichnet. Das war für Clinton pikant, weil dies genau in ihre Amtszeit als Außenministerin fiel.
Clinton rechtfertigte sich und hob hervor, dass es gelungen sei, zwei unabhängige Wahlen nach 42 Jahren Diktatur in Libyen abzuhalten. Man habe dabei geholfen eine Regierung einzusetzen. Aber Libyen habe sich an eingien Stellen auch verweigert. Die USA hätten Probleme bei der Grenzsicherung und der militärischen Sicherheit gesehen und die Regierung darauf angesprochen. Libyen wollte aber keine fremden Truppen im Land haben.
Bernie Sanders nahm das Thema zum Anlass nochmal auf Clintons Entscheidung pro Irak-Krieg einzugehen und zog Parallelen. Ein Regime-Change bringe immer unbeabsichtige Nebenfolgen mit sich. Dies müsse bei solchen Entscheidungen mit bewertet und berücksichtigt werden. Clinton habe ihren Fehler beim Irak-Krieg in der Libyenfrage wiederholt.
In der Frage zur Syrienpolitik stellte Bernie Sanders fest, dass Clinton abweichend vom Kurs Obamas für eine No-Fly-Zone sei. Er selbst unterstütze den Kurs Obamas. Dass Sanders dies so intensiv betonte, lag auch daran, dass Clinton an vielen Stellen ihres Auftritts bei der TV-Debatte immer wieder ihre inhaltlichen Verbindungen zum amtierenden US-Präsidenten erwähnte. Clinton hatte sich für eine No-Fly-Zone ausgesprochen, um den Flüchtlingen sichere Zonen zu verschaffen, in die sie vor Assad und dem IS fliehen könnten. Sanders lehnte eine solche Maßnahme ab und warnte davor, dass sie zu einer unkalkulierbaren Eskalation des Konflikts führen könne. Grundsätzlich sei er dafür, erst ISIS zu bekämpfen und sich danach um die Assad-Frage zu kümmern.
Wie Donald Trump fordern auch die Demokraten mehr europäisches Engagement der NATO.
Auf die Rolle der USA in der NATO angesprochen, sagten beide Kandidaten, dass sie sich mehr finanzielles Engagement der europäischen Verbündeten wünschen würden. Sanders nannte explizit die wirtschaftlich starken Staaten Großbritannien, Deutschland und Frankreich. Hillary Clinton stellte aber in Abgrenzung zu Donald Trump unmissverständlich fest, dass es keinesfalls ein geringeres Engagement der USA in der NATO geben werde, falls Europa sich nicht weiter bewege und mehr finanzielle Mittel etwa in Einsätzen oder Ausstattung investiere.
Sanders sieht bessere Chancen bei sich, Donald Trump zu schlagen.
Zum Ende der Debatte ging es nochmal um den aktuellen Stand der Vorwahlen. Beide Kandidaten versuchten sich jeweils aussichtsreich in Position zu bringen und sehen gute Chancen die Nominierung zu gewinnen. Ungeachtet des aktuellen Rückstands auf Clinton, erinnerte Bernie Sanders an zahlreiche Umfragen, die ihm bessere Chancen gegen Donald Trump einräumten, als Hillary Clinton. Er stellte fest, dass mit ihm eine breitere, unabhängige Wählerschicht erreicht werden könnte.
Ob dies auch die Anhänger der Demokraten so sehen, wird sich nun in den nächsten zwei Wochen zeigen. Während Sanders heute nach Rom reist, um dort über Wirtschaftspolitik zu sprechen, stürzt sich Clinton in New York in den finalen Wahlkampf vor dem Primary am 19. April. Morgen wird dann auch Sanders wieder zurück im Empire-State erwartet.
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