Es war ein Abend in Charleston, South
Carolina, der genauer betrachtet nicht nur durch Form und
Inhalt einer TV-Debatte der Demokraten ausgefüllt war. Während der
Diskussion zwischen Hillary Clinton, Bernie Sanders und Martin
O'Malley gewann man mehr und mehr den Eindruck, dass es eine
Zusammenfassung des bisherigen Wahlkampfs war, eine Beschreibung der
aktuellen Situation und zugleich auch ein Ausblick, worauf es in den
nächsten Wochen ankommen wird.
Ohne Martin O'Malley Unrecht tun zu
wollen, er kämpfte leidenschaftlich für seine Positionen und griff
auch beide in den Umfragen deutlich vor ihm platzierten Kandidaten
an. Aber letztlich war es ein Zweikampf zwischen Clinton und Sanders.
Die letzte Gelegenheit vor dem Vorwahlauftakt in Iowa nochmal
gemeinsam auf einer Bühne für sich selbst und gegen die
Kontrahenten zu punkten. Die Themen waren nicht neu, gleichwohl aber
die Schärfe der gegenseitigen Angriffe.
Innenpolitik bestimmt den Abend
Die Themenschwerpunkte waren
innenpolitisch geprägt und in vielen Punkten wie Bildung,
Mindestlohn, Energiepolitik waren die Unterschiede der Vorschläge
nicht in deren Ausrichtung, sondern mehr im Ausmaß der Positionen erkennbar.
Sanders wollte meist mehr als Clinton, aber beide gingen in dieselbe
Richtung. Gefühlt begannen die Redebeiträge am häufigsten mit dem
Satzbeginn:„Ich stimme der ehemaligen Außenministerin/ dem Senator
zu, aber...“.
Die Differenzen zwischen den Kandidaten
wurden dann aber in der durch zahlreiche Werbepausen immer wieder
unterbrochenen Debatte besonders bei den bekannten Streitthemen
Waffengesetze und Regulierung der Wall Street deutlich.
Waffengesetze: Punkt für Clinton.
Clinton listete gut vorbereitet auf, in
welchen Fällen und wie häufig Sanders in dessen politischer
Laufbahn gegen die Verschärfung der Waffengesetze votiert hatte. Sie
begrüße es aber, dass Sanders inzwischen seine Meinung offenbar
geändert habe. Sanders rechtfertigte sich und hob hervor, dass er
trotz seines früheren Abstimmungsverhaltens immer schon für
Hintergrundüberprüfungen und für ein Verbot von Sturm- bzw.
Kriegswaffen gewesen sei.
Auf die Details kommt es nach wie vor
letztlich gar nicht an. Was beim Wähler haften bleibt, ist der
Eindruck, dass Clinton oder O'Malley bei diesem Thema authentischer
sind. Die Rechnung Clintons wird sein: Wer der Verschärfung von
Waffengesetzen oberste Priorität einräumt, wird kaum Sanders
wählen.
Wall Street: Punkt für Sanders.
Die Regulierung der Wall Street war ein
weiteres bestimmendes Thema bei dem die beiden Top-Kandidaten der
Demokraten aneinander gerieten, dieses Mal war Hillary Clinton in der
Defensive. Sanders ließ kein gutes Haar an der Wall Street. Das
Banken- und Börsensystem würde in unredlicher Weise Einfluss auf
die Politik nehmen. Mit Geld würde man sich Kandidaten und
politische Entscheidungen kaufen. Sanders wolle Banken, die „too
big to fail“ seien, zerschlagen. Dass Clinton ebenfalls
regulierende Maßnahmen vorschlug, spielt in der abschließenden
Wahrnehmung kaum noch eine Rolle. Sanders warf seiner Kontrahentin
vor, dass sie nicht so unabhängig und damit bei diesem Thema auch
nicht so glaubhaft sei, weil sie große Summen Geld für Redebeiträge
z. B. bei Goldman Sachs erhalte. Er selbst nehme solches Geld ebenso
wenig, wie das von Super PACs, ein weiterer Unterschied zu Clinton.
Gesundheitsversorgung ebnet den Weg zur Richtungsentscheidung
Das dritte bestimmende Thema des Abend
war die Gesundheitsreform. Sanders hatte nur wenige Stunden vor dem
Rededuell seine Pläne zur Gesundheitsreform veröffentlicht. Dieses
Thema eignet sich wie kein anderes um den grundlegenden Unterschied
der beiden Kandidaten im Wahlkampf exemplarisch darzustellen. Hillary
Clinton ließ keine Zweifel daran, dass sie Obamacare beibehalten und
an einigen Stellen modifizieren wolle. Sanders dagegen, wolle ein
völlig anderes System. Ihm schwebt ein Modell nach kanadischem oder
skandinavischem Vorbild vor, wonach es eine einheitliche Krankenversicherung für alle Bürger geben solle. 29 Mio Menschen in den USA
seien noch immer ohne Krankenversicherung. Das sog.
Single-Payer-System bedeutet im Kern auch, dass vorwiegend der Staat
allein bzw. mit Hilfe von gesetzlichen Versicherungen für die
Gesundheitskosten aufkomme und der private Sektor zurückgedrängt wird. Ohne nun auf die Details und die
Unterschiede zwischen den Systemen näher einzugehen, wird hier
deutlich, welche Wahl die Demokraten in den nächsten Monaten treffen
müssen. Die Frage der Gesundheitsreform ist beispielhaft für
eine Richtungsentscheidung.
Bewerten sie Obamas-Amtszeit
wohlwollend und sind sie mit dessen Politik einverstanden, dürfte
die Wahl auf Hillary Clinton fallen. Demonstrativ häufig suchte sie
in der gestrigen Debatte den verbalen Schulterschluss mit dem
amtierenden Präsidenten Obama. Von wenigen Ausnahmen, insbesondere
in der Außenpolitik, ist von Clinton substanziell eine
kontinuierliche Fortsetzung der Obama-Politik zu erwarten. Die
Alternative ist eine „Revolution“, eine grundlegende Veränderung
des Staates, wie sie auch gestern wieder Bernie Sanders ankündigte
und bewarb.
Der Abend schaffte Klarheit
Insofern war der Abend sowohl eine
zugespitzte Zusammenfassung des bisherigen parteiinternen Wahlkampfs,
wie auch eine ziemlich präzise Standortbestimmung, wo sich die
Wähler nun verorten können und in welche Richtung sie gehen wollen.
Beiden Kandidaten ist es gelungen,
diesen Unterschied deutlich zu machen. Details, nach denen z. B.
Clinton eine Steuererhöhung für die Mittelschicht ausschloss,
Sanders sie zugunsten einer nach seiner Meinung umfangreicheren,
besseren und im Endeffekt für die Mittelschicht günstigeren
Krankenversicherung ausdrücklich in Einzelfällen nicht ausschloss,
spielen eine nur noch untergeordnete Rolle.
Auch außenpolitische Themen, haben im
demokratischen Wahlkampf bei weitem noch nicht den Stellenwert, wie es bei
den Republikanern der Fall ist. Für Sanders habe die Bekämpfung von
ISIS Priorität, Clinton legte ein Hauptaugenmerk auch auf die
Ablösung von Assad in Syrien.
Der gestrige Abend zeigte also den
Status Quo bei den Demokraten auf. Nun stehen die Demokraten vor der
Wahl, sich entscheiden zu müssen. Für den Fall, dass die beiden
Lager mittelfristig gleichauf liegen, hatte die TV-Debatte in South
Carolina aber auch noch den dritten wichtigen Punkt parat. Es geht
nämlich dann um die Frage, was bzw. wer am Ende den entscheidenden
Ausschlag geben würde.
Das Werben um die Gunst der Afro-Amerikaner
Schon die jeweiligen Eingangsstatements
der Kandidaten machten deutlich, dass sie genau wussten, wer zuhört
und wo man sich befindet. Es geht um die afro-amerikanischen Wähler
der Demokraten. Rund 30% der Bevölkerung South Carolinas hat
afro-amerikanische Wurzeln, vor ca. einem halben Jahr erschoss ein
Weißer aus rassistischen Motiven, neun Schwarze während eines
Gebets in einer Kirche in Charleston.
Alle Kandidaten
begannen ihre Eingangsstatements mit der Erwähnung von Martin Luther King und
die Debatte über die BlackLivesMatter-Bewegung, rassistisch
motivierte Polizeigewalt und die Diskussion um ebenso rassistische
Ausprägungen im Justizwesen fanden an diesem Abend frühzeitig
Berücksichtigung. Alle drei Kandidaten waren sich einig, dass es
hier massiven Handlungsbedarf gebe und führten die Missstände bei
der Ungleichbehandlung von Schwarzen und Weißen auf. Auch die
Drogenpolitik müsse entkriminalisiert werden. Drogensucht müssen
als Krankheit wahrgenommen und behandelt werden, waren sich die drei
Kandidaten einig. Die Folge der Kriminalisierung dieser Probleme ohne
eine alternative Hilfestellung anzubieten, seien völlig überfüllte
Gefängnisse.
In Bezug auf die tödlichen Schüsse
eines Polizeibeamten in Cleveland, Ohio, 2014, bei dem der 12-Jährige
schwarze Tamir Rice mit einer Spielzeugpistole in der Hand erschossen
wurde und es nicht einmal ein Gerichtsverfahren gab, forderte Bernie
Sanders, dass bei allen tödlichen Zwischenfällen durch die
Polizeiarbeit automatisch eine formelle kriminalistische Untersuchung
stattfinden müsse.
Das Thematisieren dieser Probleme und
das Werben um schwarze Wähler ist auch aus rein wahlstrategischer
Sicht für die Demokraten wichtig. So könnten nämlich die
afro-amerikanischen Wähler (wie auch die Hispanics) eine
entscheidende Rolle einnehmen, sollte es tatsächlich zu einem
Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Clinton und Sanders kommen. Clinton hat aktuell bei beiden Wählergruppen einen klaren Vorsprung vor Sanders.
Für den Senator aus Vermont ist es daher zwingend geboten, in der
Gunst der Afro-Amerikaner und der Hispanics zu steigen.
Der Wasserskandal von Flint findet Eingang in den Wahlkampf
Es kam dann auch nicht von Ungefähr,
dass Hillary Clinton in ihrem Schlussstatement ein Thema ansprach,
was zwar aktuell ist, aber in den schnellen und lauten Tagen des
Wahlkampfs doch untergeht. Die rund 100.000 Einwohner zählende Stadt Flint im Bundesstaat Michigan
hatte sich als Sparmaßnahme vom Trinkwassernetz der Stadt Detroit
abkoppeln müssen und danach das Wasser aus dem Fluss Huron
entnommen. Die Kläranlage der Stadt konnte das Wasser aber
qualitativ nicht ausreichend aufbereiten, so dass es zu ersten
Gesundheitsbeschwerden, wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Hautausschlag und
Haarausfall in der Bevölkerung gekommen ist. Inzwischen hat das
verschmutzte Wasser sogar Schwermetalle aus den veralteten
Wasserleitungen gespült, so dass Blei in die Wasserhähne der
Haushalte gelangte. Das Wasser ist schlicht vergiftet und nicht als
Trinkwasser geeignet. Seit Monaten kann die Bevölkerung der Stadt
nur noch Wasser aus Trinkflaschen konsumieren, Präsident Obama hat
inzwischen den Notstand ausgerufen.
In der Stadt Flint leben sehr viele
verarmte Afro-Amerikaner und so äußerte Hillary Clinton den
Vorwurf, dass es auch hier zu einer Ungleichbehandlung gekommen sei.
Sie stellte die Frage in den Raum, ob der republikanische Gouverneur
von Michigan Rick Snyder diese Art der drastischen Sparmaßnahmen
auch in einem Stadtteil Detroits mit wohlhabenden Bürgern toleriert
hätte.
Fazit
Was ist also aus der TV-Debatte der
Demokraten mitzunehmen? Die Positionen der beiden Kandidaten sind
klar abgesteckt. Die demokratischen Wähler, insbesondere die
Unentschlossenen, sind nun aufgefordert eine Richtungsentscheidung zu
treffen und die Kandidaten wissen, worauf es in den kommenden Wochen
ankommt. Ziemlich viel Klarheit für einen Debattenabend in
Charleston, South Carolina, der doch inhaltlich kaum etwas Neues zu
bieten hatte.
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