Sehr starker Start für Sanders
Nachdem es in Iowa noch ein kleiner gefühlter Sieg für Bernie Sanders war, gegen Clinton fast einen Gleichstand erreicht zu haben, gab es in New Hampshire dafür einen echten und zwar haushohen Sieg. Damit erfüllt Sanders genau die eine Voraussetzung, um tatsächlich Hillary Clinton ein Duell auf Augenhöhe bieten zu können. Sanders ist es gelungen, sowohl seinen Unterstützern den Eindruck zu vermitteln, dass es sich zu kämpfen lohnt, als auch ein gewisses Maß an Panik im Clinton-Lager zu verbreiten. 22% Vorsprung übertrifft wohl viele Erwartungen und ist mit Sicherheit ein Schock für die Noch-Favoritin Clinton. Für die Spitzenfrau der Demokraten ist es ein Desaster gewesen. Entsprechend war die Kommunikation nach außen dann auch erwartungsgemäß beschwichtigend. Man habe die Niederlage erwartet und blicke nun mit aller Kraft nach vorn.
Ein detaillierter Blick macht das Ausmaß Sanders Sieg deutlich
Besser nicht mehr auf New Hampshire blicken und den Primary
in dem kleinen Bundesstaat im Nordosten der USA schnell vergessen? Die
Clinton-Kampagne wäre gut beraten, sehr wohl genau auf die Ergebnisse von New
Hampshire zu schauen. So unangenehm es auch sein mag, sie offenbaren das wahre
Ausmaß Sanders Erdrutschsiegs.
CNN hat sogenannte Exit-Polls veröffentlicht. Demnach
hat Sanders praktisch in allen Bereichen gewonnen. Und das sollte Clinton zu
denken geben. Ja, die Unzufriedenheit im Granite State ist hoch, der weiße Bevölkerungsanteil
überdurchschnittlich groß. Aber die Zahlen belegen, dass es Sanders dennoch
gelungen ist, in fast allen Wählergruppen Clinton besiegt zu haben.
Bemerkenswert ist hierbei vor allem, dass Sanders bei Frauen
auf 55% kommt und Clinton nur auf 44%. Auch bei nicht-weißen Wählern liegt
Sanders mit 50 zu 49 knapp vor Clinton. Er hat zudem in allen Bildungsschichten
vorn gelegen. Sortiert man die Wähler nach Alter, liegt Sanders nur bei den
über 65-Jährigen hinter Clinton. Gestaffelt nach Einkommen, konnte Clinton nur
in der Gruppe ab 200.000 US-Dollar aufwärts Sanders bezwingen. Die anderen 92%
mit einem Einkommen darunter hatte Sanders mehrheitlich auf seiner Seite.
Selbst eine Mehrheit der Demokraten, die sich als moderat einschätzt, votierten
den CNN-Zahlen zufolge für Sanders.
Sanders verstärkt weiter zielgerichtet seine Bindungen zu Afro-Amerikanern
Anhand dieser Werte kann man erkennen, dass Sanders nicht
irgendeine Wählerstruktur in New Hampshire hat ausnutzen können, sondern, dass
es ihm gelungen ist, die gesamte Bandbreite der Bevölkerung zu erreichen. Diese
Fähigkeit ist die Grundvoraussetzung dafür, auch in den bislang für Clinton
sicher geglaubten Bundesstaaten zu punkten. Wohl nicht ganz zufällig fuhr
Bernie Sanders am Morgen nach dem Wahlsieg in den New Yorker Stadtteil Harlem
um sich dort in einem bekannten Restaurant am Malcom X Blvd mit dem schwarzen Bürgerrechtler Al Sharpton zum Frühstück zu treffen. Sharpton ist baptistischer
Pastor und hatte sich 2004 erfolglos um die demokratische Nominierung zur US-Präsidentschaftswahl
beworben. Bernie Sanders weiß, dass er hier Nachholbedarf hat. Clintons
Verbindungen zu den afro-amerikanischen Wählern, wie auch zu den Hispanics,
sind grundsätzlich hervorragend.
Hohe Wahlbeteiligung und Mobilisierung Unabhängiger könnten Schlüssel zum Erfolg sein
Bevor wir uns nun aber endgültig aus New Hampshire
verabschieden, noch eine ebenfalls sehr bemerkenswerte Zahl, die letztlich auch
belegt, dass Sanders in der Lage sein kann, massiv zu mobilisieren. 40% der
Teilnehmer des demokratischen Primary waren Unabhängige, 73% von ihnen haben
ihre Stimme dem Senator aus Vermont gegeben. Allgemein war die Wahlbeteiligung
wie schon in Iowa außerordentlich hoch.
Jetzt kommt es also darauf an, den Fokus breiter auszurichten.
Es ist nicht mehr nur der eine nächste Bundesstaat, den es zu beackern gilt.
Nun muss Sanders seine Kampagne ins Land streuen. Spätestens zum Super Tuesday
kann er mit seinem Team nicht überall sein. Finanziell braucht sich Sanders
keine Sorgen zu machen. Innerhalb von 24 Stunden nach dem Sieg in New Hampshire sammelte er weitere 6,4 Mio US-Dollar für seine Kampagne ein. Ein
frühes Aus Sanders, wie wohl vom Clinton-Lager und auch vom Partei-Establishment
erhofft, ist nicht eingetreten, im Gegenteil.
Clinton sollte die Unterstützung durch Superdelegierte nicht zum Vabanquespiel werden lassen
Hillary Clinton wollte in den ersten Wochen der diesjährigen
Vorwahlen gewiss nicht an 2008 denken. Die Erinnerungen an den Obama-Aufstieg
und ihre Niederlage ist nicht die Motivation und Sicherheit, die sie nun verspüren
und versprühen will. Immerhin ihre Unterstützer sind unermüdlich bei der Sache,
ein Bruch mit der Kandidatin ist nicht zu erkennen. Ihr wichtigstes Pfund bei
einem langen Kopf-an-Kopf-Rennen mit Sanders sind die Superdelegierten.
Jene rund ein Sechstel der gesamten Delegierten auf dem Nominierungsparteitag,
die unabhängig von den Wahlergebnissen bei den Vorwahlen abstimmen dürfen. Dies
sind Gouverneure, Senatoren, Parteivertreter etc. Clinton hat nach heutigen Schätzungen die überwältigende Mehrheit auf ihrer Seite . Und es ist auch
Teil ihrer Strategie. Sie hat herausragende Verbindungen in alle Bereiche der
Partei und will deren Unterstützung nun auch geltend machen. Während sich
bislang geschätzt 14 dieser Superdelegierten für Sanders positioniert haben,
sind Clinton momentan bereits 411 zuzurechnen. Die Zahlen dazu schwanken etwas.
Von etwa 285 Superdelegierten hat man noch keine Einschätzung vernommen. Diese
Superdelegierte sind ein richtiges Pfund für die Ex-Außenministerin. Aber sie
kann nicht ruhig bis zum letzten Moment auf sie angewiesen sein. Die
Superdelegierten sind ungebunden und können sich bis zum Democratic National
Convention noch umentscheiden. Wer einmal etwa über Twitter geäußert hat,
Clinton zu unterstützen, kann sich natürlich auch immer noch von Bernie Sanders
begeistern lassen und seine Meinung ändern. Außerdem müssten sich die
Demokraten fragen, ob sie eine Kandidatin entscheidend über die
Superdelegierten in die General Election gegen die Republikaner bringen wollen,
obwohl „das Volk“ womöglich einen anderen Kandidaten mehrheitlich gewählt hat.
Clinton sollte sich also auf die tatsächlichen Siege in den Bundesstaaten
konzentrieren.
Nevada und South Carolina
Die beiden nächsten Gelegenheiten ergeben sich am 20.02. in Nevada (Caucus) und am 27.02. in South Carolina (Primary). Grundsätzlich liegt Clinton in beiden Bundesstaaten in den
Umfragen weit vorn. Im Januar lag sie in South Carolina rund 30% vor Sanders
und in Nevada sieht es nicht wesentlich schlechter aus. Es wird spannend sein,
zu beobachten, wie die nächsten Wochen verlaufen und ob es Sanders gelingt auf
diesem klaren Clinton-Territorium ebenfalls zu punkten. Ähnlich knappe
Wahlausgänge wie in Iowa wären für Clinton weitere herbe Rückschläge.
Andererseits steht auch für Sanders hier viel auf dem Spiel. Sollte er sich
nicht signifikant verbessern können und sich sowohl in Nevada als auch in South
Carolina deutliche Niederlagen von einem Rückstand von 15% aufwärts einhandeln,
könnten dies empfindliche Dämpfer für den Wahlmarathon am Super Tuesday sein.
Hillary Clinton bleibt trotz des schwachen Starts in die
Vorwahlen die Favoritin, aber wie schnell es gehen kann, in einen Abwärtsstrudel
zu geraten, ist ihr bekannt. Bernie Sanders nutzt aktuell die Chancen, die sich
ihm bieten, aber das Denken und Handeln von einem zum anderen Bundesstaat muss
sich nun zu einem massiven flächendeckenden Wahlkampf ausbreiten.
TV-Debatte
Das nächste Aufeinandertreffen der beiden Kandidaten steht
bereits wieder unmittelbar bevor. In Milwaukee, Wisconsin treffen Clinton und
Sanders heute Abend zur nächsten TV-Debatte aufeinander. PBS und CNN übertragen
am 12.02., ab 03:00 Uhr deutscher Zeit.
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