Thanksgiving - Zeit zur Selbstreflektion der Kandidaten
In den USA wurde gestern Thanksgiving gefeiert, eine Art
Erntedankfest. Zeit für die Kandidaten nach Hause zu fahren und mit ihren
Familien zu feiern. Aber auch Zeit, einmal kurz in sich zu gehen und sich zu
fragen, wo stehe ich aktuell, wie sind meine weiteren Chancen? Der Truthahn auf
dem Tisch, die Familie um sich, das heimische Wohnzimmer, das heimische Bett. Ein Wohlfühlen, auf das Spitzenpolitiker häufig verzichten müssen, insbesondere in
Wahlkampfzeiten. Da kann einem schon mal der Gedanke kommen, wofür man sich das
alles antut. Wer eine realistische Option erkennt, Präsident der USA zu werden
oder zumindest die Vorwahlen für seine Partei zu gewinnen, wird schnell wieder
umschalten können und sich am heutigen Black Friday (Beginn des
Weihnachtsverkaufs mit vielen Rabatten) wieder zurück in den hektischen Wahlkampf
stürzen. Wer diese Option nicht mehr sieht, könnte geneigt sein, sich aus dem
Rennen zurückzuziehen.
Faktoren für eine solche Entscheidung
Aber nicht nur die eigenen Aussichten auf Erfolg sind bei
dieser Entscheidung relevant. Es kommen noch mindestens zwei weitere Faktoren
dazu, die eine wichtige Rolle spielen. Die finanzielle Situation der eigenen
Wahlkampagne und insbesondere auch die ursprüngliche politische Aufgabe oder
Rolle, die wegen der Kandidatur ruht bzw. zu kurz kommt.
Berücksichtigt man alles zusammen, kann man evtl. erahnen,
welche Kandidaten als nächste ihre Kandidatur zur Präsidentschaftswahl 2016 in
den USA niederlegen könnten.
Bei den Republikanern dürften einige Kandidaten ins Grübeln kommen
Blicken wir auf die Republikaner, hier ist das Feld noch
besonders groß und der Ausgang der Vorwahlen ziemlich offen. Trump, Carson,
Cruz und Rubio machen sich aktuell aufgrund ihrer Umfragen berechtigte Hoffnungen für die Vorwahlen. Jeb Bush steht in den Umfragen schlecht da. Aber er verfügt
über große finanzielle Mittel und ist sonst an kein besonderes politisches Amt
gebunden. Er wird auch noch weiter dabei bleiben.
Bei allen anderen Kandidaten wird es dann schon eng. Folgt
man den vorgenannten Kriterien, sind sie grundsätzlich in zwei Gruppen zu
unterteilen. Einerseits die mit schwachen Umfragewerten (bis max. 4% im Schnitt
und ohne politisches Amt, andererseits jene, die bei schwachen Umfragewerten aktuell auch noch Senator oder Gouverneur eines Bundesstaats sind. Schauen wir also
genauer auf die letzte Gruppe. Folgende Tabelle zeigt die Kandidaten mit ihren
Ämtern und die durchschnittlichen Umfragewerte der letzten Wochen landesweit
und in den vier Bundesstaaten, in denen die ersten Vorwahlen im Februar 2016
stattfinden.
Kandidat
|
bundesweit
|
Iowa
|
New Hampshire
|
South Carolina
|
Nevada
|
Rand Paul, 52,
Senator Kentucky
|
2,5 %
|
2,8 %
|
4,4 %
|
1,3 %
|
2,0 %
|
Chris Christie, 52, Gouverneur
New Jersey
|
3,0 %
|
2,5 %
|
5,8 %
|
1,0 %
|
1,0 %
|
Lindsey Graham, 60, Senator
South Carolina
|
0,8 %
|
0,5 %
|
0,8 %
|
2,3 %
|
0 %
|
John Kasich, 63, Gouverneur
Ohio
|
2,8 %
|
1,5 %
|
7,2 %
|
2,0 %
|
1,0 %
|
Umfragewerte von realclearpolitics.com entnommen
Die Umfragewerte geben kaum Grund zur Hoffnung. Auch ist zu
berücksichtigen, dass es sich bei diesen vier Kandidaten um keine Vertreter des
konservativen Flügels handelt. Christie, Graham und Kasich sind moderate
Republikaner und Vertreter realpolitischer Lösungsansätze. Rand Paul ist
libertär und auch weit entfernt davon, erzkonservative Positionen einzunehmen.
Sollte sich der Trend bestätigen, dass die Republikaner im kommenden Jahr einen
sehr konservativen Kandidaten nominieren werden, könnte es sein, dass man sich
auf moderater und liberaler Seite darauf verständigt, Jeb Bush oder evtl. noch
Marco Rubio zu unterstützen.
Es stellt sich für diese vier Kandidaten also die Frage, was
ist mir dieser Wahlkampf noch wert und wie sehr könnte mir ein weiterer
Verbleib schaden? Die Kandidaten werden zwangsläufig ihre Aufgaben in und für
ihre Bundesstaaten vernachlässigen. Das könnte durchaus Fragen bei den Wählern
im eigenen Bundesstaat aufwerfen, ob denn angesichts der objektiv
aussichtslosen Lage ein weiterer Verbleib im Wahlkampf überhaupt nötig sei. Während
es Chris Christie und John Kasich in den TV-Debatten durchaus gelungen ist,
sich landesweit in Szene zu setzen, könnten sie mit einem weiteren Verbleib im
Rennen weiter an ihrer Popularität arbeiten und für künftige Wahlen eine
bessere Ausgangsposition schaffen.
Rand Paul und Lindsey Graham könnten die nächsten Aussteiger sein
Rand Paul und Lindsey Graham
dagegen, konnten in den Debatten bislang nicht sonderlich punkten, Graham durfte
an den Hauptdebatten erst gar nicht teilnehmen. Wo ist also der Nutzen für
diese Kandidaten? Ich vermute, dass Lindsey Graham einer der nächsten
Kandidaten sein wird, der seine Kandidatur zurückzieht. Er braucht auch eigentlich
nicht die Vorwahl seines „eigenen“ Bundesstaates abwarten. Manche Kandidaten
erhoffen sich da besondere Unterstützung und sehen sich evtl. auch in einer
gewissen Verantwortung, diese eine Vorwahl noch abwarten zu müssen, weil auch
sie hier natürlich für ihr weiteres Wirken werben können. Aber Graham liegt in
South Carolina auch nur bei 2,3 %, er ist nur der siebtstärkste Kandidat der
Republikaner. Die Zuversicht dürfte äußert gering sein. Für einen Ausstieg Rand Pauls spricht zudem, dass er sich in Kentucky im kommenden Jahr zur Wiederwahl stellen will. Das Label des gescheiterten Präsidentschaftskandidaten, der den Absprung nicht rechtzeitig geschafft hat, wäre da schlecht für sein Image.
Die anderen Kandidaten Carly Fiorina, Mike Huckabee, Rick
Santorum, George Pataki und Jim Gilmore haben keinen politischen Druck, der sie
zum Aufhören zwingen könnte. Carly Fiorina könnte sich durch einen weiteren
Verbleib im Rennen sogar noch mehr Popularität erhoffen, die sie für künftige
politische Aufgaben gebrauchen könnte. Ansonsten gibt es eigentlich kaum politische
Gründe, die für eine Entscheidung dieser Kandidaten eine Rolle spielen dürften.
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