Clinton und Sanders werden taktieren
Die ersten Kandidaten werden im Studio bereits mit den Abläufen vertraut gemacht, die Anspannung auch bei den Protagonisten dürfte steigen. Knapp zwei Stunden vor der Debatte der Demokraten fokussiert sich die amerikanische Medienwelt auf den Schlagabtausch vor den Kameras. Die Ausgangslage könnte nicht unterschiedlicher sein. Wie schon berichtet, wird es für die drei Außenseiter O’Malley, Webb und Chafee darum gehen, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Dabei könnte die erste große Chance heute Abend zugleich auch schon die letzte sein.
Für die routinierte Hillary Clinton wird es darum gehen,
nicht zu sehr in die Defensive zu geraten. Ihre damalige Zustimmung zum
Irak-Krieg oder die E-Mail-Affäre könnten persönliche Angriffspunkte für ihre
Konkurrenten und die Moderatoren sein. Ob sie versuchen wird, ihren ärgsten
Widersacher Bernie Sanders anzugreifen oder eher eine auf sich bezogene Performance
abliefern wird, bleibt abzuwarten.
Für Bernie Sanders wird es darum gehen, nicht zu überdrehen.
Seine bisherige Kampagne ist bemerkenswert. Seine Reden kommen sehr gut an, die
Veranstaltungen sind bestens besucht. Und auch die finanzielle Ausgangslage
seines Wahlkampfs ist erstaunlich komfortabel. Hier liegt er nicht weit hinter
Hillary Clinton zurück. Sanders wird die Unterschiede zu Clinton hervorheben
und dabei versuchen, nicht zu radikal aufzutreten. Denn bei aller Zustimmung,
die er mit seinen teils sehr populären Ansätzen erfährt, mehrheitsfähig wird er
nur werden, wenn es ihm gelingt, die Zurückhaltung seiner Skeptiker
aufzuweichen. Wird er bewusst oder unbewusst in dieser Nacht überdrehen, könnte
die Euphorie um seine Kampagne ein jähes Ende nehmen.
Clinton und Sanders werden sich also beäugen und haben dabei
wohl auch den Vizepräsidenten im Hinterkopf.
Joe Biden kennt seine einzige Chance, die sich heute Nacht ergeben soll
Joe Biden hat sich längst entschieden, er wird nochmal kandidieren. Aber warum wartet er und lässt die Debatte verstreichen? Aufmerksamkeit, inhaltliche Positionen und das Ausstechen der Mitbewerber, darum geht es in den TV-Debatten. Diese Effekte braucht Biden zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Im Gegenteil, Aufmerksamkeit bekommt er durch die Hängepartie schon genug. Medial ist er weit häufiger präsent, als es so mancher längst bekannte Kandidat ist. Wofür Biden steht, ist eigentlich hinlänglich bekannt. Er steht relativ dicht bei Obama und für weitere inhaltliche Positionierungen ist auch noch genügend Zeit. Und auf einen Zweikampf mit Clinton oder Sanders, ein hitziges Wortgefecht bereits zu Beginn des Wahlkampfes kann er sicher gut verzichten.
Auf einen solchen Zweikampf zwischen Clinton und Sanders setzt Joe Biden, wenn er vor dem Fernseher die Debatte verfolgen wird. Biden steht politisch zwischen der Ex-Außenministerin und dem linken Senator aus Vermont. Je heftiger die Auseinandersetzung und je größer die inhaltliche Zerrissenheit bei den Demokratischen Anhängern, desto besser wird sein Einstieg in das Präsidentschaftsrennen sein. Er könnte sich dann als souveräner Kompromiss präsentieren, der zugleich auch noch reichlich Sympathien genießt. Warum also die Verkündung der eigenen Kandidatur mit fünf weiteren Kandidaten teilen und sich selbst den taktischen Vorteil voreilig vermasseln? Ein Problem könnte Biden nur dann bekommen, wenn Clinton und Sanders, wie eingangs vermutet, sich eher zurückhalten. Dann könnte die Reaktion auf Bidens verspäteten Einstieg ebenso unspektakulär ausfallen und verpuffen.
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