Clinton und Sanders dominieren sachliche und faire TV-Debatte der Demokraten. Martin O'Malley konnte als einziger Außenseiter punkten
Die erste TV-Debatte der Demokraten ist
vorbei. Auf CNN diskutierten die fünf Kandidaten der Demokraten ca.
drei Stunden lang. Durch die Debatte führte Anderson Cooper.
Während Hillary Clinton und Bernie
Sanders relativ ausführlich ihre Positionen erläutern konnten und
auch viele Nachfragen erhielten, hatten es insbesondere Jim Webb und
Lincoln Chafee schwer, sich in dem Format durchsetzen. Untereinander
gingen die Kandidaten äußerst sachlich und fair miteinander um.
Andere Debattenkultur als bei den Republikanern
Der wohl bemerkenswerteste Moment des
gesamten Abends gelang ausgerechnet den beiden Hauptkontrahenten
Bernie Sanders und Hillary Clinton als unter tosendem Applaus des
Publikums eine klare Botschaft indirekt an die Republikaner gesandt
wurde.
Anderson Cooper stellte Hillary Clinton
wegen ihrer sogenannten E-Mail-Affäre zur Rede. Clinton
rechtfertigte sich wie schon in vielen Interviews zuvor. Als dann
auch noch Bernie Sanders dazu befragt wurde, reagierte er
beeindruckend. Viele hatten vielleicht erwartet, dass Sanders nun den
vermeintlichen Schwachpunkt Clintons ausnutzen würde. Aber im
Gegenteil, er nutzte das Thema, um selbst bei vielen Demokraten zu
punkten. Sanders sagte, dass doch die „verdammten“ E-Mails
niemanden mehr interessierten. Eine Untersuchung laufe und ansonsten
würden sich die Menschen doch für die Inhalte an diesem Abend
interessieren. Es gebe so viele Themen, dass man nicht über die
E-Mails von Hillary Clinton sprechen sollte.
Das kam beim Publikum gut an und
Clinton spielte dankbar mit. Sie reichte Sanders als Geste des Dankes
die Hand und in diesem Augenblick war Eines klar. Im Zweifel halten
die Demokraten zusammen. Sofort erinnerte man sich an die Debatte der
Republikaner, in der insbesondere auf Initiative von Donald Trump die
Frage besprochen wurde, weshalb der ein oder andere Kandidat wegen
schlechter Umfragewerte überhaupt an der Debatte teilnehmen würden.
Angesichts der aktuellen Querelen bei der Diskussion der Republikaner
um die Nachfolge von John Boehner präsentieren sich die Demokraten
also geschlossen.
Sanders bedient seine Basis
Inhaltlich dagegen wurden die bekannten
Unterschiede und mögliche Schwachpunkte der Kandidaten sehr wohl
aufgegriffen. Bernie Sanders geriet unter Druck als es um die
Verschärfung der Waffengesetze ging. Clinton hielt ihm vor, dass er
z. B. mehrfach gegen die Brady Bill gestimmt hatte und erhielt dabei
Unterstützung von Martin O'Malley, der später noch die National
Rifle Association (Waffenlobby) als seinen größten Feind betitelte.
Sanders kam hier in Anbetracht der Faktenlage ziemlich ins Schleudern und verhedderte sich in
Widersprüche zu früheren Interviews in diesem Sommer.
Sanders wiederholte auch seine Position
als demokratischer Sozialist und bediente hier die Euphorie seiner
Anhängerbasis. Der durch den Kapitalismus generierte Wohlstand helfe
nicht, wenn er nur bei dem oberen 1% der Bevölkerung ankomme. Die
Mittelklasse sei völlig weggebrochen.
Er gab die skandinavischen Länder als
Vorbild aus und kritisierte den Umstand, dass die USA das einzige
wohlhabende Land ohne eine klares Bekenntnis zu einem weitgehend
uneingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung seien,
unabhängig vom Einkommen der Bürger. Er setze sich zudem für einen
15-Dollar-Mindestlohn ein und will beim Wiederaufbau der öffentlichen
Infrastruktur Millionen Jobs für Amerikaner schaffen.
Als seinen größten Gegner bezeichnete
er die Wall Street und deren Auswüchse, die 2008 beim Börsencrash
die USA in eine schwere Krise stürzten. Hier ging er auch auf
Distanz zu Hillary Clinton, die versuchen wolle über ihren
politischen Einfluss, die Wall Street zu lenken. Sanders dagegen
prangerte an, dass andersrum die Wall Street die Politik lenke.
Außenpolitisch betonte Sanders sein
Nein zum Irak-Krieg und sprach sich explizit gegen Bodentruppen in
Syrien aus. Er lobte Obama für dessen Kurs, sowohl Assad als auch
ISIS bekämpfen zu wollen, indem ausgewählte Oppositionskräfte
unterstützt werden.
Hinsichtlich Putins Eingreifen in
Syrien prophezeite Sanders dem russischen Präsidenten, dass er von
seinem Volk gefragt werden wird, was denn dieser Einsatz bezwecke,
wenn die ersten toten russischen Soldaten nach Moskau zurückkämen.
Spätestens dann würde Putin auch wieder eine gemeinsame Linie mit
den USA anstreben. Ziemlich zum Ende der Debatte gab es aber noch
einen Seitenhieb auf Hillary Clinton. In der Bevölkerung herrsche
eine tiefgreifende Unzufriedenheit mit politischen Vertretern des
Establishments.
Clinton wehrt Angriffe souverän ab
Hillary Clinton gab sich außenpolitisch
schon etwas offensiver. ISIS müsse aktiv bekämpft werden. Die
islamistische Terrororganisation sei eine Bedrohung auch und
insbesondere für die Partner der USA in der betroffenen Region.
Unter Druck geriet Clinton nochmal, als
es um ihre frühere Zustimmung zum Irak-Krieg ging. Mehrfach hatte
sie schon betont, dass dies ein Fehler gewesen sei.
Zu unterschiedlichen Positionen, die
sie z. B. beim Thema TPP einnehmen würde, sagte sie, dass sie
stets die gleichen politischen Werte vertreten würde und auch
dazugelernt habe. Dies sei im Übrigen normal, auch unter
Präsidentschaftskandidaten. Sich immer wieder mit neuen
Entwicklungen zu beschäftigen, andere Meinungen anzuhören, gehöre
dazu. Dann könne es passieren, dass man im Laufe der politischen
Karriere auch mal anders abstimmen würde, ohne die grundsätzliche
Haltung zu verändern.
Auf Sanders Plan zur Ausweitung der
sozialen Absicherung reagierte Clinton zurückhaltend. Natürlich sei
sie für die soziale Absicherung. Jedoch sollte man sich auf
diejenigen konzentrieren, die wirklich bedürftig seien.
Hillary Clinton machte sich weiter
stark für die Idee, dass alle Amerikaner die gleichen Chancen
bekommen sollten, unabhängig ihrer sozialen und wirtschaftlichen
Herkunft. Kindern und Jugendlichen sollte der Zugang zu den
Bildungseinrichtungen nicht wegen des geringen Einkommens ihrer
Eltern versperrt werden.
O'Malley kann Akzente setzen
Martin O'Malley musste sich zu Beginn
der Debatte zu den Unruhen in der Stadt Baltimore erklären, wo er
lange Zeit Bürgermeister war. Hohe Kriminalitätsrate, Armut,
soziale Probleme, Polizeigewalt, Unruhen – schlechte Zustände für
eine Bewerbung zum Präsidentschaftskandidaten. O'Malley gelang es
aber im Laufe der Debatte andere Themen zu setzen. Er fiel dabei
durch eine teilweise überakzentuierte Gestik auf, die auf mich als
Zuschauer einen etwas künstlichen Eindruck machte. Aber dennoch, als
einzigen der drei Außenseiter gelang es ihm, mit seinen Botschaften
durchzudringen. Er verstand es auch, sich ausreichend Redezeit zu
verschaffen.
Inhaltlich setzte O'Malley Schwerpunkte
beispielsweise in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik. Dabei hob
er insbesondere die Wiedereinführung des Glass-Steagall Acts hervor,mit dem das Trennbankensystem wieder eingeführt werden soll.
Hierbei geht er auch auf Konfrontationskurs zu Hillary Clinton, die
diesem Vorschlag skeptisch gegenüber steht. Der Schutz der
Bevölkerung vor den Folgen eines erneuten Börsencrashs sei sehr
wichtig und in der Amtszeit Obamas zu kurz gekommen.
Martin O'Malley riss am Ende noch kurz
seine Idee einer grünen Revolution an, in der zu 100% auf
erneuerbare Energien umsteigen und so auch viele Jobs für Amerikaner
schaffen wolle. In der Diskussion über die Einwanderungspolitik
kritisierte er die ablehnende Haltung vieler Republikaner scharf. Die
USA seien ein klassisches Einwanderungsland, Migranten könnten dem
Land helfen und es stärker machen.
Außenpolitisch bescheinigte O'Malley
den Geheimdiensten Versagen in Bezug auf die Bewertung der Situation
in Libyen und Syrien.
Webb – der andere Demokrat
Jim Webb konnte sich inhaltlich von
seinen Mitbewerbern absetzen. Er sei ein Gegner verschärfter
Waffengesetze, befürworte aber die viel diskutierten
Hintergrundchecks. Außerdem stehe er beim Thema Energie auf Seiten
der Kohle-, und Ölindustrie.
Außenpolitisch lenkte Webb den Fokus
auf den zukünftigen Konkurrenten China, das mit Cyberattacken die
USA gefährden würde.
Er kritisierte die Datensammelwut der
NSA und rief dabei zur Einhaltung der Bürgerrechte auf. Auf die
Frage, was er besser machen wolle als die derzeitige Obama-Regierung
antwortete Jim Webb, dass er versuchen wolle, wieder ein vernünftiges
Verhältnis zu beiden Parteien im Kongress herzustellen.
Angesichts seiner inhaltlichen
Einstellungen könnte Webb tatsächlich einen besseren Zugang zu den
Republikanern haben, nur ob dies bei der eigenen Partei gut ankommt,
ist zu bezweifeln.
Jim Webb schien in der Debatte mit
seiner Redezeit sichtlich unzufrieden zu sein und geriet hier auch
zweimal mit Moderator Anderson Cooper aneinander.
Chafee war viel zu passiv
Lincoln Chafee wirkte den Abend
irgendwie unglücklich und resigniert in der Debatte. Er kam nicht
richtig mit seinen Themen durch und wirkte zudem verunsichert bei
kritischen Nachfragen.
Dass Chafee früher Republikaner,
danach unabhängig und nun Demokrat sei, erklärte er damit, dass
sich die Republikaner von ihm entfernt hätten. Er selbst sei seinen
Positionen immer treu geblieben.
Chafee hob seine Erfahrung und
Integrität mehrfach hervor. Als Bürgermeister, Senator und
Gouverneur hätte er sich bereits in unterschiedlichen Positionen
bewiesen und das auch noch absolut skandalfrei.
Hauptthema für Chafee an dem Abend war
die Außenpolitik. Er kritisierte den Einmarsch in den Irak als
größten Fehler der amerikanischen Geschichte. Hillary Clinton habe
sich durch die Zustimmung zum Irak-Krieg für das Präsidentenamt
disqualifiziert. Es reiche in einer solchen Frage nicht aus, später
einen Fehler einzugestehen. Er hätte seine Hausaufgaben damals
gemacht, die Lage kritisch beurteilt und sei zum richtigen Ergebnis
gekommen, den Irak-Krieg abzulehnen. Die USA müssten nun
Glaubwürdigkeit und Vertrauen in der Welt zurückgewinnen.
Fazit
Von Gewinnern und Verlierern in einer
solchen Debatte zu sprechen, ist immer etwas schwierig. Nimmt man
aber die Ausgangslage der einzelnen Kandidaten, kann man schon sagen,
ob sich diese verbessert oder verschlechtert hat.
Ohne Zweifel kann Hillary Clinton mit
diesem Abend zufrieden sein. Sie konnte sich trotz für sie
kritischer Themen immer wieder behaupten. Auch unterstützt von einer
großen Anhängerschaft im Publikum kam sie ohne Blamage durch die
Debatte. Mehr war für sie angesichts der deutlichen Führung in den
Umfragen noch nicht nötig. Ob die Bevölkerung ihre Rechtfertigungen
annimmt, wird sich im Laufe des weiteren Vorwahlkampfes
herausstellen.
Auch Bernie Sanders darf zufrieden
sein. Er konnte die meisten inhaltlichen Punkte setzen und bediente
dabei seine eigene Anhängerschaft. Allerdings waren seine Aussagen
weiter gewohnt plakativ und ob er in der Anhängerschaft Clintons
punkten konnte, ist unklar. Zumindest hat er durch seine
Unterstützung in der E-Mail-Affäre Pluspunkte sammeln können.
Bei den Außenseitern ist das Bild
eindeutig. Als einziger hat sich hier Martin O'Malley durchsetzen
können. Er bestach durch klare Aussagen und versuchte seine
Kontrahenten inhaltlich zu stellen.
Jim Webb und Lincoln Chafee konnten
ihre Chancen nicht nutzen. Ihnen gelang es nicht, sich als wirkliche
Alternativen zu Clinton oder Sanders zu präsentieren.
Und dann ist da ja noch der
Nicht-Teilnehmer. Joe Bidens Plan könnte evtl. nicht aufgegangen sein. Sollte die kommenden Umfragen bestätigen, dass Hillary
Clinton unbeschadet aus der ersten Debatte herausgekommen ist, wird
es für Biden sehr schwierig werden. Nicht auszuschließen, dass er
dann auf eine Kandidatur verzichtet. Es wird nun täglich mit seiner
Entscheidung gerechnet.
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